Stent gesetzt – was nun?
Ein Stent ist ein Implantat, das die Aufgabe hat, einen Hohlraum offen zu halten. Stents werden nicht nur im Bereich der Kardiologie und Angiologie sondern auch in der Gastroenterologie z.B. zum Offenhalten von Einengungen der Gallengänge, der Speiseröhre oder in der Pulmonologie zum Offenhalten der Luftröhre eingesetzt. In den 70er Jahren wurde im Kantonsspital in Zürich erstmals ein eingeengtes („stenosiertes“) Herzkranzgefäss von Dr. Grünzig mittels Ballonkatheter aufgedehnt, allerdings zeigte sich in der Folge, dass so aufgedehnte Gefäße dazu neigen, sich wieder zu verengen bzw. zu verschließen.
Ulrich Sigwart entwickelte mit Experten einer Firma „Gefäßstützen“ mit der Idee, diese zuvor mittels Ballon gedehnten Stellen („Ballonangioplastie“) offenzuhalten – die Idee des Stents war geboren. Koronarstents sind dünne Röhren in Gitterform, sind dadurch formbar, werden auf einen Katheter geschoben und an der mit dem Ballon vor gedehnten Stelle des Herzkranzgefäßes platziert. Einmal entfaltet, schmiegt sich das Drahtgeflecht an die Gefäßwand an und hält das gedehnte Gefäß offen. Die für Stents verwendeten Materialien sind Edelstahl oder Legierungen aus Kobalt-Chrom, Kobalt-Nickel oder Platin-Chrom. Sogenannte „Drug eluting Stents“ (DES) sind mit einem Wirkstoff beschichtet, der das Zellwachstum hemmt und so verhindern soll, dass sich die behandelte Stelle wieder verengt oder verschliesst. Bioresorbierbare Stents bestehen aus Magnesiumverbindungen oder Milchsäurepolymeren und lösen sich nach einer gewissen Zeit wieder auf. Dies hat den Vorteil, dass – wenn notwendig – an derselben Stelle ein Bypass angenäht werden kann, was bei Vorhandensein eines Metallgitters problematisch ist. Ungefähr im Laufe eines Jahres wird die gestentete Stelle mit „Gefäßinnenhaut“ (=Endothel) überzogen, dies ist als „Heilungsprozess“ zu verstehen. Da bis zur vollständigen Endothelisalisierung eines Stents eine erhöhte Gefahr besteht, dass sich an dieser Stelle Blutplättchen (=Thrombozyten) zusammenklumpen und die Stelle wieder einengen oder verschliessen, ist während dieser Zeit eine verstärkte Plättchenhemmung mit 2 unterschiedlich wirkenden Substanzen notwendig.
Die Behandlung von Koronarstenosen (=Einengungen der Herzkranzgefäße) mittels Stents ist schon seit vielen Jahren Routine. Durch die Verfügbarkeit von Herzkatheterlabors für Notfälle auch rund um die Uhr, kann im Rahmen eines Infarktereignisses durch rasche Wiedereröffnung des infarktbezogenen Herzkranzgefäßes Herzmuskel „gerettet“ werden. Denn wenn durch einen Herzinfarkt Herzmuskel in größerem Umfang zugrunde geht, bedeutet dies letztendlich eine Einschränkung der Pumpfunktion des Herzens und damit eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, vor allem durch Atemnot.
Wenn ein Herzkranzgefäß sich allmählich durch arteriosklerotische Prozesse einengt, bemerkt der Betroffene im Idealfall, dass unter körperlicher Anstrengung „Angina pectoris“ (lat.: Enge der Brust) auftritt. Körperlich aktive Menschen werden z.B beim Sport Angina pectoris verspüren, schon wenn die Einengung des Herzkranzgefässes z. B. 75% beträgt. Bei Patienten, die sich nur gering körperlich belasten , tritt Angina pectoris erst bei sehr hochgradiger Einengung des Herzkranzgefäßes z.B. bei 90% auf. In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen sein, dass das Symptom Angina pectoris bei manchen Patienten – typischerweise bei langjährigen Diabetikern mit gestörter Schmerzempfindung, fehlen kann.
Bei welchen Einengungen Stents sinnvollerweise gesetzt werden hängt einerseits davon ab, an welcher Stelle des Herzkranzgefäßes sich die Einengung befindet und wie hochgradig und damit „wie gefährlich“ sie ist, andererseits auch, ob sie dem Patienten Beschwerden verursacht. Einengungen an sehr feinen Seitenästen mit einem Durchmesser weniger als 2mm werden beispielsweise nicht gestentet, da der kleinste Stent dzt.2,25 mm Durchmesser hat. Zudem würde das Risiko eines Eingriffes unter Umständen größer als sein Nutzen sein. Die Langzeitergebnisse nach Stentimplantation sind umso besser, je größer der Durchmesser eines gestenteten Gefäßes ist. Sind beim Koronargefäßsystem an sehr vielen Stellen Einengungen, wird der Patient unter Umständen mit einer Bypassoperation besser beraten sein. Liegen Einengungen vor, die sich über sehr lange Strecken des Gefäßes ziehen, ist die veränderte Gefäßwand sehr stark verkalkt, verhärtet und damit nicht aufdehnbar, oder ist der Patient bei körperlicher Anstrengung beschwerdefrei, wird man gegebenenfalls von einer Stentimplantation Abstand nehmen.
Hier spricht man von sogenanntem „konservativem Vorgehen“ und meint damit neben verlässlicher Medikamenteneinnahme die konsequente Reduktion der kardialen Risikofaktoren – Rauchen, Hypercholesterinämie, Hochdruck, Diabetes, Bewegungsmangel und Übergewicht ,zusammenfassend als „Lebensstiländerung“ bezeichnet. Immer wieder gibt es Patienten, die diese dringend angeratene Lebensstiländerung nicht ernst nehmen – dies vielleicht auch mit dem Gedanken, dass etwaige neu auftretende Einengungen ja doch wieder „repariert“ werden können. Abgesehen von den hohen Kosten für eine Stentimplantation sollte man sich vor Augen halten, dass ein solcher Eingriff an den Herzkranzgefäßen nicht an jeder Lokalisation möglich ist und immer Komplikationen mit sich bringen kann. In jedem Fall sei für Koronarpatienten oberstes Gebot, das was sie selbst zur Erhaltung der gestenteten Herzkranzgefäße dazu tun können, auch konsequent und lebenslang beizubehalten, denn Stentimplantationen sind letztendlich nur Teilreparaturen der am stärksten betroffenen Gefäßabschnitte eines insgesamt erkrankten Organsystems.
Text: OA Dr. Ursula Eherer SKA-RZ St. Radegund