Chronische Herzinsuffizienz
Ventrikuläres Remodelling beim Hochdruckherzen – Übergang zur systolischen Herzinsuffizienz (Nachdruck aus [7]), Copyright © 2003 Massachusetts Medical Society. All Rights reserved. Reproduction by permission of the Massachusetts Medical Society) aus AUER J Vom Hockdruck zur Herzinsuffizienz – Die Rolle der AT1-Rezeptorblocker Journal für Hypertonie – Austrian Journal of Hypertension 2007; 11 (Sonderheft 1), 9-12
Definition und Symptome
Unter Herzinsuffizienz versteht man eine verminderte Pumpfunktion des Herzens. Eine Sonderstellung hat dabei die sogenannte „diastolische“ Herzinsuffizienz, bei der die Pumpkraft des Herzens normal ist und die Ursache der Funktionsstörung vorwiegend in einer Beeinträchtigung der Füllung des Herzens liegt. Aufgrund der verminderten Pumpfunktion des Herzens kann es bei einer Herzinsuffizienz zu einem Rückwärts- und/ oder Vorwärtsversagen kommen. Im Falle des Rückwärtsversagens kommt es dazu, dass es wegen der mangelnden Pumpfunktion zum Rückstau des Blutes in die Lunge oder in die zum Herzen führenden Blutgefäße (Venen) kommt. Dieser Rückstau führt zu einem Druckanstieg in den Blutgefäßen, wodurch mehr Flüssigkeit aus den Gefäßen in das Gewebe gedrückt wird. Die Folgen sind Atemnot und können Wassereinlagerungen (Ödeme). Beim Vorwärtsversagen kommt es auf Grund einer Minderung der Pumpfunktion des Herzens zu einer Minderdurchblutung des Gewebes (Muskeln/Organe). Das kann sich als Atemnot bei geringer Belastung oder auch in Ruhe und Schwächegefühl sowie verminderter Belastbarkeit manifestieren.
Häufigkeit
Die Herzinsuffizienz stellt eine der häufigsten internistischen Erkrankungen dar. In Europa wird die Zahl herzinsuffizienter Patienten auf mehr als 10 Millionen geschätzt, die Tendenz ist steigend. Eine vergleichbar große Patientengruppe weist darüber hinaus eine Verminderung der Pumpfunktion des Herzens auf, hat jedoch keine Beschwerden einer Herzschwäche. Die Häufigkeit der Herzschwäche ist altersabhängig. Im Alter zwischen 45 und 55 Jahren leidet weniger als 1 % der Bevölkerung an einer Herzinsuffizienz, zwischen dem 65. und 75. Lebensjahr bereits 2-5 % und bei über 80-Jährigen fast 10 %.
Symptome und Zeichen der Herzschwäche
Zu den häufigsten Symptomen der Herzinsuffizienz zählen Atemnot bei Belastung bzw. bei körperlicher Anstrengung. In fortgeschrittenem Stadium können diese Beschwerden auch schon in Ruhe auftreten. Zusätzlich können bei einer Herzinsuffizienz Wassereinlagerungen (Ödeme) sowohl in der Lunge (Lungenödem) oder den Beinen bzw. am Fußrücken auftreten. Es kann zu vermehrtem Wasserlassen in der Nacht kommen. Dies wird dadurch verursacht, dass die vermehrten Wassereinlagerungen im Gewebe während des Liegens aus dem Gewebe in die Blutgefäße zurückfließt und über die Nieren ausgeschieden werden kann. Menschen mit Herzschwäche müssen oft mit erhöhtem Oberkörper schlafen, da damit die Wassereinlagerungen in der Lunge vermindert werden und folglich das Atmen im Schlaf erleichtert wird. Häufige Beschwerden sind darüber hinaus eine verminderte Leistungsfähigkeit, Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Fallweise können auch Herzrhythmusstörungen auftreten. Man unterscheidet verschiedene Formen der Herzinsuffizienz:
- Systolische Herzinsuffizienz: Verminderte Auswurfleistung der Herzkammer
- Diastolische Herzinsuffizienz: Gestörte Dehnbarkeit der Herzkammer mit Beeinträchtigung der Füllung des Herzens
- Rechtsherzinsuffizienz: Reduzierte Pumpfunktion der rechten Herzkammer, die das sauerstoffarme Blut zur Lunge pumpt.
- Linksherzinsuffizienz: Eingeschränkte Pumpfunktion der linken Herzkammer, die das sauerstoffreiche Blut in den Körperkreislauf bzw. zu den Organen pumpt.
- Akute Herzinsuffizienz: tritt innerhalb kurzer Zeit (Minuten bis wenige Tage) auf.
- Chronische Herzinsuffizienz: Die Beschwerden der Herzinsuffizienz bestehen bereits seit längerer Zeit (Wochen oder Monate).
Ursachen der Herzinsuffizienz
Dazu zählen der Bluthochdruck, die koronare Herzkrankheit bzw. der Herzinfarkt, Herzklappenerkrankungen, primäre Herzmuskelerkrankungen, Herzmuskelentzündungen, Herzrhythmusstörungen, angeborene Herzfehler, Alkoholmissbrauch, Herzrhythmusstörungen, Überfunktion der Schilddrüse.
Risikofaktoren
Es sind verschiedene Risikofaktoren bekannt, die die Entstehung einer Herzinsuffizienz begünstigen.
- Bluthochdruck
- Rauchen
- Nikotin- und Alkoholmissbrauch
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Übergewicht (Adipositas)
- Hypercholesterinämie (zu viel Cholesterin, also Fette, im Blut)
- Bewegungsmangel
Schweregrade der Herzschwäche
Die Herzinsuffizienz wird nach der Schwere (nach einem Vorschlag der „New York Heart Association“, einer US-amerikanische medizinische Fachgesellschaft) unterteilt in die Klassen I, II, III und IV. Die Klassifizierung basiert auf Symptomen, die während körperlicher Belastung empfunden werden. • Klasse I: asymptomatisch – Der Patient verspürt keine Symptome, ist weder kurzatmig noch ermüdet er während körperlicher Aktivität.
- Klasse II: milde Herzinsuffizienz. Der Patient ist nach mäßiger Belastung (wie etwa zwei Stockwerke Treppen steigen oder einen Wäsche- korb aus dem Keller hochtragen) kurzatmig oder erschöpft.
- Klasse III: mäßiggradige bis schwere Herzinsuffizienz Der Patient ist nach sehr geringer Aktivität (wie etwa Gehen in der Ebene oder ein Stockwerk Stiegen steigen) kurzatmig oder erschöpft.
- Klasse IV: Schwere Herzinsuffizienz – Der Patient ist erschöpft, kurzatmig und ermüdet auch wenn er nur sitzt oder liegt.
Diagnostik bei ambulanten Patienten mit Verdacht auf Herzinsuffizienz
Untersuchungen, die bei allen Patienten in Erwägung zu ziehen sind. Die transthorakale Echokardiographie wird empfohlen, um die kardiale Struktur und Funktion zu untersuchen. Ein 12-Kanal-Oberflächen-EKG wird zur Bestimmung des Herzrhythmus und der Herzfrequenz sowie zur Analyse des elektrischen Kurvenbildes empfohlen. Laborchemische Blutuntersuchungen werden empfohlen. Eine Röntgen-Thoraxuntersuchung sollte in Betracht gezogen werden.
Untersuchungen, die bei einzelnen Patientengruppen in Erwägung gezogen werden sollten
Die kardiale Magnetresonanztomographie wird empfohlen, um die kar-diale Struktur und Funktion zu analysieren (insbesondere bei Patienten mit inadäquater Echokardiographie oder uneindeutigen echokardiographischen Befunden). Eine Koronarangiographie wird empfohlen, um die Koronaranatomie bei Patienten mit Angina pectoris darzustellen, bei denen eine Koronarrevaskularisation möglich ist. Bei Patienten mit Verdacht auf koronare Herzerkrankung können in bestimmten Fällen Zusatzuntersuchungen wie Stress-Echokardiographie, KardioMRT, SPECT, PET in Erwägung gezogen werden. Eine Links-/Rechtsherzkatheterisierung wird bei Patienten in der Evaluation für eine Herztransplantation oder ein mechanisches Unterstützungssystem empfohlen. Ein Belastungstest (Ergometrie/ Spiroergometrie) kann ebenfalls bei bestimmten ausgewählten Patientengruppen mit Herzschwäche in Erwägung gezogen werden.
Therapie der Herzinsuffizienz
Die medikamentöse Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz beruht auf zwei verschiedenen Säulen – einem prognoseverbessernden und einem beschwerdeverbessernden Therapieansatz. Zu den Medikamenten zur Verbesserung der Prognose zählen ACE-Hemmer/AngiotensinRezeptor-Blocker, Betablocker, Hemmer der Mineralokortikoidrezeptoren (z.B. Spironolacton oder Eplerenon) und gezielt herzfrequenzverlangsamende Medikamente. Zu den vorwiegend beschwerdeverbessernden Medikamenten zählen Diuretika und bei bestimmten selektierten Patienten Digitalisglycoside. Bei manchen Patienten kommen herzrhythmusstabilisierende Therapien zur Anwendung. Bei bestimmten Patienten kann die Anwendung eines sogenannten DreiKammer-Schrittmachers zur Wiederherstellung einer koordinierten Kontraktion der herzabschnitte also einer zeitgerechten Aktivierung der Vorhöfe und beider Herzkammern (Resynchronisationsbehandlung) sowohl die Symptome als auch die Prognose verbessern. Diese Geräte haben oft auch einen Defibrillator (kann auch bei bestimmten Charakteristika als eigenständige Behandlung zur Anwendung kommen) eingebaut, da bei schwerer Herzmuskelschwäche auch bedrohliche Herzrhythmusstörungen auftreten können, die damit behandelt werden können. Rehabilitative Maßnahmen und gezieltes körperliches Training sind für die meisten Patienten hilfreich. Die Herztransplantation kann in weit fortgeschrittenen Fällen die Symptome und die Prognose wesentlich verbessern.
Allgemeinmaßnahmen bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz
Ernährung
- Vermeiden exzessiver Flüssigkeitsaufnahme
- Gesunde Ernährung und Erhalten eines adäquaten Gewichts
- Überwachen und Prävention von Fehl-/Unterernährung
Alkohol & Rauchen
- Geringer Alkoholkonsum und Rauchstopp
Körperliches Training
- Verständnis für den Nutzen von körperlichem Training
- Regelmäßiges körperliches Trai ning
- Positive Einstellung zu körperlichem Training
Freizeit und Reisen
- Entsprechend der körperlichen Leistungsfähigkeit
- Medizinische Dokumentation auf Reisen mitnehmen (+ ev. Extra Medikation), Überwachung und An passung der lüssigkeitsaufnahme v. a. während Flügen und in heißen Klimazonen
Sexuelle Aktivität
- Besprechen sexueller Probleme mit dem Arzt
- Normale sexuelle Aktivität für stabile Patienten, sofern keine übermäßigen Symptome aus gelöst werden
Impfungen
- Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken gemäß entspre chender Leitlinien
Schlafstörungen
- Verständnis für präventives Ver halten wie Gewichtsreduktion bei fettleibigen Patienten, Rauch stopp und Alkohol-Abstinenz
Psychosoziale Aspekte
- Verständnis für die Häufig keit depressiver Symptome und kognitiver Defizite bei HI Patienten sowie für die Bedeu tung sozialer Unterstützung.
Text:
Prim. Univ. Prof. Dr. J. Auer Abteilung für Innere Medizin 1 mit Kardiologie und Interne Intensivmedizin Ringstrasse 60, 5280 Braunau Tel: 07722 804 5100 e-mail: johann.auer@khbr.at
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